Tokai Punch
Kurzgeschichte.
In: Tierische Liebe,
Eichborn.Berlin, 2005
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Kurzgeschichte.
In: Tierische Liebe,
Eichborn.Berlin, 2005
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tokai punch - auszug
- - Der beißt nicht, sagte sie und lachte, als sie mir ihren Kleinen vorstellte
und ich wohl eine Sekunde zu lange gezögert hatte, ihm die Hand zu reichen. Er
fixierte mich mit dem Blick eines fetten Katers, dem sein Essen nicht gefiel und
der auf das Dessert wartete.
Ich wusste, es würde nicht leicht werden mit uns beiden.
Dabei kann ich mich nicht beklagen. Sie hatte mich gewarnt. An unserem ersten Abend, beim Inder, nachdem sie ihr Huhn extra-scharf serviert bekam und es sofort, ohne einmal davon zu kosten, rot-gelb nachwürzte, aus einer eigens dafür vorgesehenen Pillendose, die sie rasch wieder in der Handtasche verschwinden ließ, so dezent und selbstverständlich wie eine Kettenraucherin, die sich lange genug beherrscht hat.
Es sei nicht einfach, ihr Herz zu gewinnen, sagte sie, und ich dachte an alle anderen Frauen, denen ich mein Herz geschenkt hatte, ohne je eines zurück zu bekommen. Das macht doch nichts, wollte ich sagen. Als würde ich einen Sack junger Herzen mit mir tragen und großzügig verteilen können. Oder als sei ein Herz ein Körperteil, das ich leicht abstoßen könnte und dessen Abwurf nicht schmerzen würde, da es immer wieder nachwächst. Ich lege es nicht darauf an zu gewinnen, wollte ich sagen, bin es gewohnt, Zweiter zu werden, will dich nicht unter Druck setzen, an diesem wunderbaren Abend, wir haben nichts zu verlieren, werden uns beschnuppern und weitersehen. Verzeih, wenn ich so offen rede, aber du wirkst auf mich nicht wie eine Frau, die etwas Festes sucht. Du bist wild und frei, und genau so soll sie doch sein, die Liebe. Dann die Zweifel. Ob sie nicht doch eine Nummer zu groß war, für mich, einen wie mich. Treu, pflegeleicht, tier- und kinderlieb. Doch nur einsfünfundsiebzig, arbeits- und kinderlos, mit Kleinwohnung und Kleinaktien, und nicht mal das gehörte mir wirklich. Ich wurde rot und sagte gar nichts mehr.
- Schmeckt das Essen nicht?
- Doch, ok, sagte ich und durchforstete schnell meinen Romantikschrank. Alles zu klein geworden, Zeugs für die nächste Sammlung. Container Love.
Natürlich schmeckte mir das Essen. Sie hatte es ausgesucht. Genau so wie den Laden, den Termin, vielleicht sogar das Drum und Dran unserer ersten Begegnung, also, mich.
tokai punch - kritik
- "Aber wer liebliche Liebesgeschichten rund um Fiffi und Poldi erwartet liegt
komplett falsch. Viele dieser Erzählungen sind grausam, bizarr oder von hinterhältiger
Komik. So treibt in Markus Orths Mein Manuka die Passion zu einem entführtem Tier
namens Manukah den Besitzer in den Selbstmord oder buhlt in Nika Bertrams Tokai Punch
ein Mann mit einem bekifften Tokai um die Liebe von dessen Herrin und verliert dabei
seinen Finger. Diese außergewöhnliche Anthologie zeigt mit Hilfe von Ratten, Schnecken,
Gottesanbeterinnen, Manukahs und Hühnern , um einige Tiere zu nennen, manch abgründigen
Blick in die menschliche Seele. Und für alle die sich für die deutschsprachige Literatur
interessieren, bietet dieser Band eine repräsentativen Querschnitt über das
deutschsprachige literarische Leben im Jahre 2005." (MK, PEP! Portal)